wie viel raum bleibt für die freiheit des wortes in einer welt, in der das wort immer mehr an die stelle der wirklichkeit tritt?
wenig! so müsste man antworten, wenn das wort nicht mehr nur als wort auftritt, sondern zur wirklichkeit selber wird, so verliert das wort eben jene freiheit, die es hatte, als es sich darauf beschränkte nur wort zu sein.
warum hört das wort auf damit, nur wort zu sein? wenn immer mehr worte fallen, so tritt das wort langsam aber stetig an die stelle der wirklichkeit.
das wort tritt also nicht mehr mit dem anspruch auf, etwas über die wirklichkeit zu sagen und sich deshalb eben gerade von dieser wirklichkeit zu unterscheiden.
das worte hörte also auf bescheiden zu sein. es verdrängte die sinnliche, unmittelbare wahrnehmung des wirklichen und somit das wirkliche als solches.
die welt in der sich der moderne mensch zurechtfinden muss wird von eben diesem modernen menschen weder noch unmittelbar sinnlich erfahren, noch geisig begriffen oder durchdrungen.
an die stelle der präsprachlichen kognition der wirklichkeit treten regeln, anforderungen, verbote und gebote. maßgeschneiderte verhaltensanweisungen also.
während also das wort sich immer weiter ausdehnt, schrumpft die eigene wahrnehmung umgekehrt ebenfalls immer weiter. zwei prozesse also, die sich in ihrer konsequenz positiv überlagern.
der moderne mensch erfährt also eine massive reduktion seiner präverbalen kognition. ebenso und damit bedingt erfährt er eine massive reduktion der notwendigkeit seiner kompetenz zur überführung präverbaler inhalte in verbale inhalte. für wahrnehmung und beurteilen, sowie transmission dieser inhalte zu verbaler kognition, bleibt in der modernen welt kein raum mehr.
die umwelt des modernen menschen ist in ihrer handlungsrelevanz so kompliziert geworden, dass der moderne mensch an die stelle seiner individuellen erfahrung, wahrnehmung und beurteilung das wort anderer, jener die ihn unterweisen, setzen muss.
das wort sagt dem modernen menschen auch nicht wie die dinge sind, sondern wie er sich in dieser welt diesen dingen gegenüber angepasst d.h. zweckmäßig zu verhalten hat.
damit kommt natürlich nicht nur dem wort selbst ein enormer machtzuwachs zu, auch die vermittlung des wortes bzw. den damit verbundenen positionen der vermittlung kommt ein enormer bedeutungszuwachs zu.
in einer solche welt, die sich dem menschen nicht mehr selbst unmittelbar erschließt, sondern durch soziale prozesse der kommunikation nur mehr mittelbar und adaptiv erschlossen wird, reduziert sich die wirklichkeit eben auf das wort.
es wundert daher auch nicht, wenn die toleranz gegenüber der freiheit des wortes immer kleiner wird, denn darin äußert sich ja nicht weniger, als die intoleranz gegenüber jeder freiheit der wirklichkeit.
frei war also auch früher nur das wort. der wirklichkeit aber wurde keine freiheit zugebilligt. freiheit der wirklichkeit hätte schließlich verlust der orientierung und somit verlust der essentiellen handlungsfähigkeit bedeutet.
um diese zu bewahren wurden nicht nur kriege geführt, um die orientierung zu bewahren wird nun auch dem wort die freiheit entzogen.