Der Abstraktionsbegriff im Lichte des Extremismusbegriffs. Betrachten wir die Entwicklung des Extremismusbegriffes, so hat sich dessen Bedeutung verändert.
Eine Veränderung im Sinne einer geänderten Bezugsgröße des Extremen. Von einer als angemessen geltenden, in logischen Bezügen stehenden abstrakten Norm, als Produkt des individuellen Denkens, hin zu einer ausreichend großen Abweichung von einem durch Votum einer Mehrheit gefällten Urteil.
Das Urteil über die Frage des Extremseins obliegt somit nicht mehr der Urteilskraft des Einzelnen, statt dessen greift dieser auf eine vom Kollektiv gesetzte Norm und den erkennbaren Abstand zu dieser Norm zurück.
Der Einzelne ermangelt also jener Instanz der abstrakten Norm. Grundlage derartiger Abstrakta und Basis der geistigen Leistung der Abstraktion ist die zentrale Abstraktion des eigenen Ichs. Alle weiteren Abstraktionen stehen in einer spezifischen Beziehung zu dieser Urabstraktion.
In Ermangelung der primären Abstraktion des Ichs, verliert sich der Einzelne im Kollektiv. Es mangelt ihm an einer Möglichkeit zur Abstraktion des Unterschiedes zwischen ihm selber und der Masse. Er ist der Masse in seiner Urteilskraft ausgeliefert.
Extrem bedeutet für diesen Einzelnen die überschwellige Abweichung von der kollektiven Norm. Also just jene heute um sich greifende Entwicklung.
Die Veränderte Bedeutung des Begriffs des Extremen zweigt daher eine fundamentale kognitive Veränderung in der Bevölkerung an, einen Verlust des Abstraktionsvermögens.
Abstraktion ist die Grundlage des logischen, eigenständigen Denkens. Wie im obigen Beispiel schon bemerkt, fehlt der Orientierung an der kollektiven Norm eben jenes logische Element, das im Falle der Beteiligung von Abstraktionen noch vorhanden ist.
Der geänderte Gebrauch des Extremismus-Begriffes muss daher als Indikator für eine höchst gefährliche kognitive Degeneration verstanden werden.
Abstraktion ist nicht nur die Grundlage des Ich-Begriffes, sie ist auch ein höchst zweischneidiges Schwert.
Abstraktion ist ein Schwert, denn sie befähigt zur Entwicklung von Mitteln, derer man ohne sie niemals habhaft werden könnte. Der Kuktur zur Entwicklung eines hochentwickelten Abstraktionsvermögens kommt also für die Leistungsfähigkeit eines Volkes enorme Bedeutung zu.
Andererseits ist sie auch die Grundlage des Inhumanen, der völligen Empathielosigkeit gegenüber der Kreatur, wenn diese auf ihr Sein als Abstraktum reduziert werden kann.
Es bedarf also einer feinen Balance, d.h. entsprechender Instrumente, um diese konstruktive Abstraktion zu ermöglichen.