Wahnsinn kann kultiviert werden, was nichts anderes bedeutet, als dass die Lüge zur Wahrheit umdeklariert werden kann.
Das Wort Wahnsinn setzt sich zusammen aus den Begriffen des Wahns und des Sinns. Wahn bzw. Wähnen bedeutet soviel wie Vorstellung. Der Begriff Sinn bezieht sich auf die Sinne, also die Wahrnehmung.
Damit rekuriert der Begriff Wahnsinn auf den Zusammenhang von Vorstellung und Wahrnehmung.
Das Wort Wahn wird dem Wort Sinn vorangestellt. Damit deutet sich die Dominanz des Ersteren über das Letztere an. Der Wahn beherrscht hier den Sinn, die Vorstellung steuert die Wahrnehmung.
Wenn nun aber die Vorstellung darüber entscheidet, was die Wahrnehmung bewirkt, dann hat dies zwei Konsequenzen.
Die vom wahrgenommenen Objekt ausgehende und aufgenommene Information wird nicht mehr vom Sender, also dem Objekt der Wahrnehmung bedingt sondern vom Empfänger also dem Subjekt der Wahrnehmung.
Zweite Konsequenz wäre, dass die Wahrnehmung nicht mehr als Zugang zur Wahrheit verwendet wird. Die Wahrnehmung wirkt nicht mehr als Korrektiv gegenüber der Vorstellung sondern die Vorstellung wirkt als Filter gegenüber der Wahrnehmung, due Vorstellung deutet die Wahrnehmung in einer Weise, die ihrer Selbstbestätigung dient.
Wahnsinn bedeutet somit eine spezifische Umkehr eines an der Wahrnehmung orientierten Erkenntnisgewinns.
Wird nun eine bestimmte Vorstellung mittels des Agens der Angst und massenpsychologischer, kognitiver Vehicel in die Köpfe der Menschen eingeführt, so haben diese Menschen eine spezifische Motivationsstruktur.
Einerseits treibt sie das Agens der Angst aus ihrer kognitiven Individualität heraus und zusammen mit anderen in die Mitte aller. In dieser Mitte finden Sie nun das Wissen darum, dass die Meinung dieser anderen die Meinung der Mehrheit ist. Damit fühlen sie sich nicht mehr allein und finden daher Geborgenheit und Sicherheit im Gefühl ihrer Zugehörigkeit zu eben dieser Mehrheit.
Angst generiert die Bereitschaft zur Aufnahme jener Vorstellungen, die die Angst lindern, weil sie den Menschen das Gefühl von Sicherheit geben.
Auf diese Weise werden nun bestimmte Vorstellungen so stabil in das kognitive Instrumentarium des Einzelnen installiert, dass sie einem Dogma gleich einen solchen Grad an Gewissheit haben, dass sie der Wahrnehmung vorangestellt werden und nicht mehr umgekehrt Korrektur durch die Wahrnehmung erfahren.
Ergänzend muss freilich festgestellt werden, dass Wahrnehmung ein grundsätzlich individueller Prozess ist, ein Prozess also, der das Verschiedenseinsbewusstsein zwischen dem Einzelnen und anderen Einzelnen bzw. dem kollektiv der Anderen bedingt und somit zentral für die Abgrenzung des individuums ist.
Umgekehrt dazu verhält es sich mit der Vorstellung. Vorstellungen sind kognitive Inhalte die zwischen Individuen ausgetauscht werden können. Sie sind die Grundlage der Kommunikation.
Damit dass sie ausgetauscht werden können, können sie auch aufgenommen werden können. Sie können nicht nur von einem einzelnen aufgenommen werden sondern auch von einer Vielzahl. Somit können Vorstellungen mittels geeigneter Methoden u Mittel nicht nur dem Austausch zwischen einzelnen dienen sondern auch der Steuerung vieler durch wenige.
Vorstellungen sind somit das entscheidende kognitive Mittel der Macht. Wem es gelingt die geeigneten Vorstellungen und Begriffe zu installieren, der bestimmt auch wie wir Informationen aufnehmen und beurteilen.
Mittels der oben beschriebenen Prozesse können nun also Vorstellungen installiert werden die über die Autorität der Angst und der Mehrheit verfügen und somit einen Grad an Gewissheit verkörpern, dass eine Inzweifelziehung durch die Wahrnehmung und damit durch Einzelne unmöglich wird.
Derartige Vorstellungen wirken damit nicht nur als Filter der Wahrnehmung sie steuern auch das Verhalten. Beides in dem Sinne, dass es zur Bestätigung und zur Festigung dieser Vorstellungen kommt. Die Vorstellungen haben somit die Wirkung eines Gefängnisses, das nicht außerhalb des Eingesperrten liegt sondern in seinem Inneren.
Jeder Versuch diese Vorstellungen in Frage zu stellen mündet in einen Konflikt mit der Mehrheit der anderen und in einer Konfrontation mit der Angst, denn die Angst geht der Vorstellung im Sinne einer Ursache ja voraus. Es gibt also kein Entrinnen gegenüber dieser Vorstellung mehr.
Das individuum gerät damit in eine kognitive Konstellation, die kognitive Autonomie gegen kognitive Abhängigkeit tauscht.
Die implantierte Vorstellung, die nun als Zensor der individuellen Wahrnehmung agiert repräsentiert für das individuum die Mehrheit der Gesellschaft.
Zugleich prägt nicht mehr die Wahrnehmung des Individuums das Bild dessen was als Wahrheit bewertet wird sondern die von der Mehrheit autorisierte Vorstellung die die Wahrnehmung des Individuums filtert und sein Verhalten steuert.
Das kognitive Agieren des Individuums erfolgt somit in einer Welt, in der es seiner tatsächlichen Wahrheit entspricht, wenn es sagt: „Wahr ist das, was die Mehrheit sagt!“
Darin drückt sich eben genau diese filternde bzw. auslegende Dominanz einer durch die Mehrheit autorisierten Vorstellung gegenüber der individuellen Wahrnehmung aus.
Nun war das Denken des Individuums schon immer durch die vom Kollektiv gelieferten kognitiven Instrumente, eben jene Vorstellungen getragen. Allerdings gab es einen entscheidenden Unterschied.
Der Einzelne, das Individuum hatte mittels seiner individuellen Wahrnehmung ein Mittel zur Korrektur gegenüber den kollektiven Vorstellungen. Und die einzelnen Vorstellungen waren nicht dogmatisch durch Angst und Mehrheit fixiert.
Somit gab es zwar eine überwältigende Mehrheit deren Denken sich auf die Anwendung der vom Kollektiv gelieferten Vorstellungen beschränkte. Sie tendierten durch diese Beschränkung auf bloße Anwendung, d.h. Instrumentalisierung zum Ausdruck eigener innerer Zustände und eigener Wahrnehmungen und Vorstellungen, daneben aber auch zur Verfestigung eben dieser Instrumente des Denkens.
Eine winzige Minderheit jedoch nutzte die eigene Wahrnehmung und das Vermögen zum Erkennen von Widersprüchen dazu, das kollektive System der Vorstellungen punktuell in Frage zu stellen, Inkohärenzen aufzudecken und somit auch in seiner Ganzheit zu ändern.
Wesentlich für die Aufrechterhaltung dieser Fähigkeit ist und war freilich, dass die vom kollektiv ausgehenden Vorstellungen und kognitiven Instrumente dem einzelnen diese Freiheiten ließen.
Damit aber dass Vorstellungen installiert werden, die einerseits mit der Autorität der Mehrheit eine dogmatische Stellung erhalten und andererseits durch das Agenz der Angst und ihre Rolle bei der Angstlinderung über eine mächtige Motivation fixiert werden, geht genau diese Fähigkeit und Freiheit des Denkens verloren.
Blickt man nun in die gegenwärtige Gesellschaft, so findet man geradezu haufenweise Kampagnen die genau nach diesem Muster funktionieren. Einerseits trifft man immer wieder auf das Agens der Angst. Andererseits werden immer wieder ganz bestimmte Vorstellungen geboten die kollektiv verordnet werden und der Angstlinderung dienen.
Diese Vorstellungen steuern das Verhalten und filtern die Wahrnehmung des einzelnen.
Und sobald der einzelne es wagt, gegen diese Vorstellungen aufzubegehren wird er mit der absoluten Dominanz der Mehrheit niedergerungen und mit dem Vorwurf der Unsittlichkeit, der Amoral und dem Verbrechen des Verstoßes gegen essentielle Notwendigkeiten diskreditiert und kriminalisiert.
Und weil nun in einer derart geprägten Welt, in der die Wahrheit eine Funktion der Mehrheit ist, der einzelne Kritiker immer nur eine Minderheit repräsentiert, gilt der „einsame Rufer in der Wüste“ nicht mehr als Weiser sondern nur mehr als Lügner, als Fake-news-erzeuger, Schwurbler, Verschwörungstheoretiker und Leugner der „Wahrheit“.
Der hier beschriebene Mechanismus der Kollektivierung des Denkens bezog sich in seiner Relevanz nur auf sogenannte Erwachsene.
Daher muss eine Bewertung seiner Relevanz auch die Frage nach seiner Relevanz für die in kognitiver Entwicklung befindlichen Heranwachsenden stellen.
Diese erfahren und beobachten das Verhalten der Erwachsenen und deren Erklärungen hierzu. Verhalten und Erklärungen führen nun systematisch zur Vermittlung von Zerrbildern der Wirklichkeit, weil sie nicht von der Wirklichkeit selbst geprägt werden, sondern von den die Wahrnehmung filternden Vorstellungen.
Die Heranwachsenden erfahren damit eine Wirklichkeit die von dem Wirklichkeitsbild ihrer Vorbilder geprägt wird. Die Autorität von Vorbild und Mehrheit wird damit in die Autorität der Wahrheit selbst transformiert.
D.h. die einmal durch die Mehrheit in das kollektive Denken eingeschleusten Vorstellungen werden nun zu Bestandteilen der Wahrheit.
Das in derartigen Mechanismen gefangene Individuum verliert Zug um Zug das Vermögen zur Unterscheidung von Wahrheit und Lüge.
Wenn nun dogmatische Verhaltensweisen und Angst im Spiel sind und es zur Tabuisierung bestimmter Inhalte kommt, so kommt es damit auch zu Deprivation gegenüber Erfahrungen mit diesen Inhalten. Durch systematische Entfremung gegenüber diesen Inhalten und des Mangels an Kompetenz im Umgang mit diesen Inhalten entsteht nun ihrerseit weitere Angst gegenüber diesen Inhalten.
Man muss dem Einzelnen somit nur mehr mittels Entfremdung gegenüber den Mitteln seiner eigenen Macht Angst gegenüber diesen Mitteln seiner Macht machen bzw. gegenüber den Potenzialen seiner Möglichkeiten und der Einzelne wird sich gefügig gegen sich selbst wenden.
Wir sehen somit dass es zu einer systematischen Kultivierung des Wahnsinns gekommen ist, die es den Herrschenden erlaubt, das Individuum im Gebrauch seines eigenen Verstandes im Sinne von Immanuel Kant grundlegend zu delegitimieren und damit die geistige Aufklärung in ihr Gegenteil zu verkehren.