Entscheidungen sind keine Frage der Ratio, Entscheidungen werden nicht vernünftig gefällt. Entscheidungen erfordern spezifische Werte.

Diese Werte sind sowenig wahllos wie es Werte von Menschen sind. Menschen entwickeln, ihrer Natur folgend im Wechselspiel mir anderen Menschen, die gleichfalls ihrer Natur folgen spezifisch menschliche Werte.

Greifen gesellschaftliche Systeme in diesen Entwicklungsprozess ein, so hat dies Auswirkungen auf die Entwicklung dieser Werte, die Frage also, ob sich diese Werte überhaupt bilden, abgeschwächt bilden oder ob sich andere, auf künstlichen Interventionen beruhende Werte bilden.

Kommt es zum Verlust der klassischen menschlichen Werte, so hat dies weitreichende Konsequenzen.

Einerseits kommt es zum Verlust der Selbstregulation. Dem Individuum fehlen Gegenspieler für seine animalischen Antriebe. Um sich dennoch regulieren zu können, muss das Individuum auf gesellschaftliche Einflüsse zurückgreifen, verliert also seine Selbständigkeit und Unabhängigkeit.

Aus dieser Abhängigkeit heraus reduzieren sich aber auch jene Konflikte, die daraus resultieren, dass unterschiedliche Werte, also jene des Individuums und jene der Gesellschaft aufeinander prallen.

Menschen deren Entwicklung also so beeinflusst wurde, dass sich ihre eigenen subjektiven Werte weniger stark ausbilden, geraten nicht nur in eine systemische Abhängigkeit und werden der von der Gesellschaft ausgehenden Fremdbestimmung weniger Widerstand entgegensetzen, sie werden wegen ihrer Abhängigkeit sogar geradezu danach verlangen, dass ihre Defizite durch eben diese Fremdbestemmung kompensiert werden.

Die Beseitigung der individuellen subjektiven Werte des Individuums kommt einer zunehmend totalitären Herrschaft des Systems somit sehr entgegen. Es kann daher nicht verwundern, wenn totalitäre Regieme, insbesondere den Religionen den Kampf ansagen.

Der Mangel an eigenen, subjektiven Werten steht auch nicht in Widerspruch, zu ständig anwachsendem Wissen und immer mehr rationalen Aktivitäten der Individuen. Dies gilt natürlich nur solange, wie sich jene rationalen Aktivitäten nicht mit den hier beschriebenen Entwicklungen und deren Konsequenzen befassen.

Mehr noch eine zunehmend rationale Wissensgesellschaft fördert die Abhängigkeit der Individuuen bei ihren Entscheidungsprozessen sogar noch weiter.

Je komplexer und für den Einzelner undurchschaubarer die zur Diskussion stehenden Sachverhalte sind, desto schwerer fallen dem Einzelnen Entscheidungen, selbst dann wenn er noch über subjektive eigene Werte verfügen würde.

Die absolute Dominanz mit der heute aber das rationale Denken gesellschaftlich auftritt verdrängt die ursprünglich irrationalen Ebenen der subjektiven Werte des Einzelnen.

Der Einzelne kann somit zwar ein für den Produktionsprozess höchst nützliches, intelligentes und wissensreiches Werkzeug sein, während er für eigene Entscheidungen aber viel zu dumm geworden ist.

Rationalität, Wissen und Intelligenz stehen somit ln keinerlei Widerspruch zu dieser Form von Dummheit. Im Gegenteil der mit wachsender Rationalität einhergehende Verlust an irrationaler Kompetenz, erhöht die Abhängigkeit des Einzelnen bei seinen Urteilen und Entscheidungsprozessen sogar noch.

Der Einzelne bedarf der systemischen Bevormundung dann nicht mehr nur zwecks Kontrolle seiner animalischen Antriebe, er bedarf dieser Bevormundung auch noch infolge seiner reduzierten kognitiven Kompetenzen.

Kognitive Kompetenz beschränkt sich somit nicht nur auf die rationalen Fähigkeiten der Aufnahme, Analyse und Synthese von Information, sie erfordert auch irrationale Fähigkeiten zur Beurteilung und Bewertung um verhaltensrelevante Entscheidungen treffen zu können.

Diese Kompetenzen waren ursprünglich in der Instanz des Individuums vereint. Technologie und psychologische Kenntnisse, sowie machtpolitische Interessen und Ideologien haben jedoch dazu geführt, das Individuum derart zu transformieren, dass es zur Spaltung dieser Kompetenzen kommt, zur Auslagerung der Irrationalen kognitiven Kompetenzen auf das System.

Eine Entwicklung deren Konsequenzen nicht nur das gesamte abendländischen Menschenbild bedrohen sondern auch die Würde des Menschen zerstören.

Ohne die Instanz selbständig, also frei urteilender und wertender Individuuen fehlt schließlich nicht nur die Quelle kognitiver Vielfalt, es fehlt auch der Widerstand gegenüber diktatorischer Ausbreitung jedweder Ideologie, die infolge dieser Entwicklung eine geradezu tödliche Verabsolutierung erfährt.